oder wie du mit spielerischen Elementen die Motivation deiner Schüler aktivierst
Der Begriff Gamification stammt aus dem Englischen und setzt sich aus den Wörtern „game“ (Spiel) und „ification“ (Verbesserung, Vereinfachung) zusammen. Der Begriff wurde erstmals 2002 von Nick Pelling verwendet. Er bezieht sich auf die Anwendung von Spielmechanismen und -techniken in Bereichen, die normalerweise nicht mit Spielen in Verbindung stehen, wie zum Beispiel Bildung, Geschäft, Gesundheit und öffentliche Dienste.





Die Gamification wird im Schulischen Kontext besonders dazu verwendet, um die Motivation und die Beteiligung der Schüler zu erhöhen und um bestimmte Verhaltensweisen zu fördern.
Im Grundschulbereich können Lehrkräfte Gamification vielfältig einsetzen. Dabei sollten sie jedoch darauf achten, dass die Elemente, die sie für das Lernen auswählen auf die für den Unterricht wichtigen Lernziele hinarbeiten und die Schüler nicht einfach nur beschäftigen.
Worauf du als Lehrkraft achten solltest:
- Ziele und Lerninhalte: Gamification sollte immer einen klaren Bezug zu den Lernzielen und Inhalten haben, die in der Klasse behandelt werden. Es sollte sichergestellt werden, dass die Schüler durch die Verwendung von Spielmechanismen tatsächlich etwas lernen und nicht nur beschäftigt werden.
- Alter und Fähigkeiten der Schüler: Grundschüler haben unterschiedliche Fähigkeiten und Bedürfnisse, daher sollten die Spielmechanismen und Herausforderungen an das Alter und die Fähigkeiten der Schüler angepasst werden. Das bietet eine große Chance für Inklusion, wenn du die Aufgaben so auswählst, dass alle Schüler etwas zum Unterricht beitragen können.
- Motivation und Spaß: Gamification sollte für die Schüler motivierend und mir Freude verbunden sein, damit sie sich engagieren und motiviert bleiben, um die Lerninhalte zu erfassen, jedoch musst du klare Regeln definieren, damit der Spaß nicht im Chaos endet.
- Flexibilität: Gamification-Aktivitäten sollten flexibel gestaltet werden, damit sie in unterschiedlichen Unterrichtskontexten und -situationen verwendet werden können. Im Fallbeispiel weiter unten wirst du sehen, wie du Aufgaben in Klasse 1-2 Klassenübergreifend und wiederkehrend nutzen kannst.
- Feedback: Es sollten Möglichkeiten für Schüler geboten werden, Feedback zu geben und zu erhalten und ihre Leistungen zu überprüfen, damit sie ihre Fortschritte verstehen und sichtbar machen können.
- Sicherheitsaspekte: Wenn Schüler ihre Leistungen online teilen, sollten Lehrer darauf achten, dass die Schülerdaten geschützt sind und dass keine unangemessenen Inhalte geteilt werden.
Gamification im Unterricht einbinden, aber wie?
Im Mathematikunterricht nutze ich Gamification regelmäßig zum Üben und Festigen wichtiger Aufgaben und Muster. Das kling komplex, ist aber eigentlich ganz einfach. Wer kennt es nicht: Zum Üben sollen die Schüler ihr Arbeitsheft auf Seite x aufmachen und die Päckchen rechnen. Die Motivation ist dabei gering. Gerade bei den jüngeren Schülern sind Schreibaufgaben oft nicht so beliebt, weil sie eben nicht auf natürliche Weise motivieren. Dennoch ist es wichtig, dass die Schüler zum Üben kommen, denn zum Beispiel die „verliebten Zahlen“ und das Ergänzen zur Zehn aus der ersten Klasse, helfen den Schüler beim Berechnen von Aufgaben mit Zehnerübergang, auch noch in Klasse 2.
Wer simultan Mengen erkennen kann, hat es leichter mit den Ergänzungsaufgaben. Wer Muster erkennen kann, löst später leichter die „starken Päckchen“ und erkennt zusammenhänge zwischen Plusaufgaben und Malaufgaben. Also gilt es diese Lerninhalte für Schüler in den Fokus zu rücken, so dass sie für Kinderköpfe interessant werden.
In meinem Unterricht nutze ich darum gern Storytelling und Elemente aus Videospielen. Denn Videospiele halten Schüler oft fest in ihrem Bann: Aber wie machen die das eigentlich?
Videospiele nutzen Storytelling, Levels und Leben, Highscores und geben den Kindern und Jugendlichen das Gefühl unschlagbar zu sein: Selbst wenn du ein Level nicht schaffst, mal verlierst: du wirst nicht kritisiert sondern bekommst einfach so eine neue Chance. Scheitern ist also keine frustrierende Erfahrung, sondern eine Herausforderung es noch einmal zu versuchen. Dieses Verständnis mit Fehlern umzugehen, möchte ich auch im Unterricht nutzen.
Im „normalen“ Unterricht ist Scheitern für Schüler oftmals nicht mit Herausforderung verbunden. Wenn du im Test eine schlechte Note hast, denkst du nicht: Ich mach den jetzt nochmal, dann wird es schon besser. Und meistens gibt es auch keine zweite Chance, sondern die Note sitzt und es geht weiter und zurück bleibt das Gefühl: Ich kann Mathe einfach nicht. Dabei ist es ja zunächst normal, dass man Fehler beim Rechnen macht, sich erproben muss, und wenn etwas schief geht, dann muss man es eben noch einmal probieren können, ohne Angst zu scheitern.
Mit den Space Racern üben
In Klasse 1 und 2 ist eins meiner Lieblingsmaterialien zum Lernen mit Gamification ein Unterrichtsmaterial, dass ich Space Racer nenne. Ich bette es in eine Geschichte ein, die die Schüler sofort in den Bann zieht. Wir sind im Weltraum. Wir haben nur ein Raumschiff (die Schüler denken sich den Namen aus) und wir müssen mit dem Raumschiff den Matheplaneten Mathefix retten. Dieser wird von fiesen Matheaufgaben bedroht, die auf glibberigen Asteroiden auf den Planeten zu fliegen.
Die fiesen Matheaufgaben kommen in Wellen, also immer fünf bis zehn Aufgaben auf einmal. Ein Schüler kommt an die Tafel und bekommt z.B. 30 Sekunden Zeit die 5 Aufgaben zu lösen. Wenn wer das schafft, verwandeln sich die Aufgaben in Punkte für die Klasse und ich hänge neue Aufgaben auf. Wenn der Schüler die Aufgaben nicht in der Zeit schafft oder etwas falsch rechnet, kommen die Aufgaben zurück an die Tafel. Unser Raumschiff hat am Anfang 3 Leben. Wir spielen also in 30 Sekunden Rhytmen, bis es 3x nicht geklappt hat. Am Ende zählen wir die Punkte.
Als Lehrkraft kann ich unterstützend beisteuern, in dem ich die Aufgaben so wähle, dass der Schüler sie schaffen kann, oder ich kann eben auch die Latte höher und herausfordernd ansetzen, wenn Schüler das brauchen.
Als Klasse haben wir eine Highscore Liste, in der wir die Punkte aufschreiben. So sehen die Schüler, dass sie immer besser werden und immer mehr Aufgaben sammeln können.
Meine Schüler lieben die Space Racer und nutzen ihre Kreativität, um immer neue „Power Ups“ zu bekommen. Sie wissen, wenn sie bestimmte Punktzahlen erreichen, dürfen sie Goodies für ihr Raumschiff oder den Planeten Mathefix „einkaufen“. Für 20 Aufgaben können sie zum Beispiel ein Extraleben für das nächste Spiel kaufen. Für 50 Aufgabenpunkte können sie ein zweites Raumschiff kaufen. Dann kommen zwei Schüler an die Tafel und können sich gegenseitig helfen bei schweren Aufgaben.

Und was passiert, wenn jemand falsch rechnet? Gar nichts: Ich erkläre das, weil am Anfang mancher Schüler gern schimpft: Jetzt haben wir ein Leben verloren… Ich sehe meine Aufgabe als Lehrkraft auch darin, meinen Schülern einen positiven Umgang mit Fehlern auf den Weg zu geben. Darum kläre ich das schnell: Es ist nicht schlimm, wenn wir mal eine Aufgabenwelle nicht schaffen. Wenn alle gut aufpassen, dann schaffen wir sie beim zweiten Versuch. Und wir haben ja 3 Leben. Die Schüler nehmen das gut und schnell auf. Und dann haben wir gemeinsam diese Potentialbrille: Wenn A die Aufgabe nicht geschafft hat, kann B es machen und alle hören zu und profitieren. Weil wir gemeinsam mehr erreichen, bereiten sich die Kids sogar zu Hause vor. Einer sagte neulich: kannst du meiner Mama mal sagen, wie das heißt, was wir grade üben (es waren Ergänzungsaufgaben bis 10), weil Mama mich sonst die falschen Aufgaben fragt. Falsche Aufgaben gibts ja keine: aber es zeigt mir, dass das Interesse da ist, die für unsere Lernziele wichtigen Aufgaben zu üben.
Und das schöne bei den Space Racern ist, dass man immer wieder neue Aufgaben hinzufügen kann und auch ältere Sachen wiederholen kann, so dass man das Spiel immer und immer wieder nutzen kann. Und die Schüler haben immer neue Ideen, wie sie im Spiel wachsen können: Vorschläge waren z.B. schon, dass ich Abzeichen machen könnte für „Piloten“ die 5, 10 oder 15 Aufgaben schaffen, oder dass man als Klasse Preise gewinnt, wenn man an einem Tag zum Beispiel 40 oder 50 Aufgaben schafft. Spannend fand ich, dass wir zunächst 21, dann 38 Aufgaben gerechnet hatten und die Kinder von sich aus die Ziele höher ansetzten.

Darum also mein Tipp: Integriere spielerische Elemente in deinen Unterricht – Storytelling um den Themen Leben einzuhauchen, Highscores, neue Chancen und vor allem die Potentialbrille – Wenn ich etwas noch einmal versuche, wird es besser und ich kann es schaffen!
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