Allgemeines

Wenn Sprache und Bewegungsmangel den Erfolg im Mathematikunterricht beeinflussen.

Ich kann das Krokodil einsetzen. Aber ich weiß nicht, wie die Aufgabe heißt….

Julia, 7 im Matheunterricht der ersten Klasse
Mathematik ist nicht für alle Kinder einfach zu verstehen.

Wenn Sprache den Erfolg im Mathematikunterricht beeinflusst, dann haben Schüler mit sprachlichen „Hürden“ das Nachsehen. Und das betrifft oft Schüler, die Deutsch nicht als Muttersprache haben und darum erst noch lernen müssen, Schüler mit speziellen Förderbedarfen, Schüler aus sozial schwächeren Schichten und Mädchen.

Julia, steht für eine ganz normale Schülerin der ersten Klasse, pfiffig und wissbegierig hat sie sofort kapiert, dass Kroki immer viel Hunger hat und die größere Zahl frisst. Die Mathelehrerin hat das Konzept des Zahlenvergleichens mit einer Krokodilhandpuppe und Steckwürfeln eingeführt. Julia und ihre Klassenkameraden waren Feuer und Flamme, das Krokodil auch mal zu bedienen: Julia sagt: „Hier sind 5 und 3 Steckwürfel: Ich fresse die 5.“

Die Lehrerin freut sich und lobt Julia. „Das hast du super gesagt, Kroki frisst die 5, weil es mehr sind. Und jetzt musst du die Aufgabe nur noch richtig benennen.“ Doch da wird es schwierig: Die Fachwörter für größer und kleiner als sitzen nicht so schnell, wie das Konzept vom Krokodil. Und die kleinen Zeichen sehen sich so ähnlich, dass Julia sie gar nicht richtig auseinanderhalten kann.

Wie Julia haben viele Schüler der ersten Klasse noch das Problem, dass kontralaterale Entwicklung, die Entwicklung der „Seitigkeit“ und die Wahrnehmung über das verstibuläre System, noch gar nicht abgeschlossen sind. Von außen, aus der Perspektive des Lehrers merkt man das vielleicht daran, dass sie Ziffern oft falsch herum schreibt, auch wenn das Ergebnis richtig ist, dass Buchstaben wie p b d und q miteinander vertauscht werden oder die Schreibrichtung beim O oder der 0 falsch herum läuft.

Lehrer sind gut darauf trainiert diese Fehler zu sehen, bekommen aber in ihrer Ausbildung wenig praktische Hilfen, wie sie Schüler fördern können, die diese Art von Fehlern zeigen. Es kommt zu einem traurigen Schluss, das Kind ist nicht schlau genug, einfache Mathematische Konzepte zu verstehen. Es soll mehr üben und oft werden einfach viele Arbeitsblätter aus dem Internet zusammenkopiert und dann an die Eltern übergeben, damit das Problem zu Hause ausgemerzt wird.

In den letzten Jahren gibt es immer mehr Schüler, die solche Probleme zeigen. Die Gründe sind sicher vielfältig. Und darum gehen wir hier nur auf die Problematik der Entwicklung von Sprache und Bewegungsmangel ein.

Schüler, die in bewegungsarmer Umgebung aufwachsen, also vielleicht oft und lange in der Wohnung sind, nicht die Möglichkeit haben zu springen, schaukeln, Purzelbäume zu schlagen und ihren Körper in seiner kompletten Dimension wahrzunehmen, zeigen häufiger Schwierigkeiten bei der Wahrnehmung, beim Lesen und schreiben als solche, die täglich Zeit zum sportlichen Spielen haben. Purzelbäume, Radschlagen, Trampolin springen, Drehkarussel fahren, klettern, rennen, Seilspringen, Hulahoop und Balancieren….all diese „typischen“ aber in die Jahre gekommenen Kinderspiele, helfen Kindern eine angemessenen Wahrnehmung ihres Körpers und der Umwelt zu entwickeln. Daraus entsteht auch eine bessere Selbstregulation und Organisation, die es den Kindern ermöglicht, im Mathematikunterricht rechts und links auseinanderzuhalten, oder eben wahrnehmen zu können, in welche Richtung das Vergleichszeichen schaut.

Wenn Kinder diese Spiele mit anderen Kindern spielen, lernen sie auch schon früh, sich sprachlich mit anderen Kindern über Vergleiche auszutauschen. Ich habe 5 Seilsprünge geschafft, du erst 3. Nein, ich habe schon 7 geschafft… 5 sind weniger als 7, aber mehr als 3… ich probiere es nochmal…. oh… jetzt kann ich schon 10 mal springen…

Heute fehlen vielen Schülern oft die körperlichen und sprachlichen Vorerfahrungen. So dass das reine „Kroki“ einsetzen zwar funktioniert, aber eben nicht zu einem sprachlichen Verständnis führt.

Bewegung und Sprache im Mathematikunterricht

Um Schüler mit Lernschwierigkeiten, die aus einer noch schwachen Entwicklung ihrer Wahrnehmung oder ihres vestibulären Systems resultieren, zielführend zu unterstützen, können Lehrkräfte bewußt Bewegungsübungen und Sprachliche Anlässe in ihren Mathematikunterricht einbauen. Denn einfach nur mehr und mehr Übungsblätter an die Eltern weiterzugeben, die in den meisten Fällen keine Spezialisten für kindliche Entwicklung sind und vielleicht auch oft gar nicht als Helfer zur Verfügung stehen, bringt die Schüler nicht wirklich voran, sondern schleift die aus dem Bewegungsmangel entstehende Problematik nur tiefer ein.

Stundenstarter oder Bewegungspausen, die gezielt Sprache und Mathematik auf spielerische Weise in den Unterricht einbinden, schaffen hingegen Lernmöglichkeiten, die der schwachen Entwicklung entgegen wirken können. Dazu gehören: Bewegungslieder, verschiedenen Sprungübungen, bei den die Schüler gleichzeitig zählen, springen und ihren Körper koordinieren müssen, Klatschspiele, Balancierübungen, Yoga und auch das Arbeiten mit praktischen, haptischen Materialen bei der Einführung und Festigung des Themas.

Bewegung und Sprache im Unterricht am Beispiel Zahlen vergleichen:

Wie kannst du gezielt Bewegung in deinen Mathematikunterricht einbauen, um deinen Schülern ein integraleres Lernen zu ermöglichen?

Ein Bewegungslied am Stundenbeginn: 2-3 Minuten (zum Beispiel „Tanz mit Tante Rita„) bringen deine Schüler so richtig in Schwung, Eine bessere Sauerstoffversorgung macht die kleinen Köpfe fit, für die nächste Herausforderung. Sich wiederholende Anweisungen zum Tanz, „nach vorne, nach vorne, nach oben nach oben“ trainieren Alltagswortschatz, der sich dann gut zum Fachwortschatz ausweiten lässt.

Organisationsübungen zwischendurch: Stellt euch in Tischgruppen, als Klasse oder in Gruppen (Junge, Mädchen) nach der Größe auf, dann sprecht über die Ergebnisse: An meinem Tisch bin ich die kleinste, Julia ist größer als Max…

Seilspringen als Bewegungspause oder als Bewegungsübung vor oder in einer Pause: Viele Erstklässler können heute gar nicht mehr Seilspringen. Aber Seilspringen ist eine Übung, die für den Mathematikunterricht aus verschiedenen Gründen sehr sinnvoll ist:

  • Rhythmus und Muster: Beim Seilspringen müssen die Schülerinnen und Schüler einen regelmäßigen Rhythmus finden, um das Seil zu schwingen und gleichzeitig zu springen. Dies fördert ihr Verständnis für Muster und Rhythmen, was wiederum eine wichtige Grundlage für das Verständnis mathematischer Strukturen wie Reihenfolgen, Zahlenmuster und Arithmetik ist.
  • Zählen: Beim Seilspringen können die Schülerinnen und Schüler das Zählen anwenden, um ihre Sprünge zu zählen und ihre Ziele zu erreichen. Dies hilft ihnen, ihre Fähigkeiten im Zählen und Zahlenverständnis zu verbessern, insbesondere wenn sie Zahlenmuster wie das Zählen in Schritten üben. Außerdem werden beim Zählen und Springen gleichzeitig mehrere Areale im Gehirn genutzt und das Springen fördert so die gleichzeitige Nutzung beider Gehirnhälften.
  • Raum-Zeit-Koordination: Beim Seilspringen müssen die Schülerinnen und Schüler ihre Bewegungen im Raum und ihre Sprünge in einer bestimmten Zeit koordinieren. Dies fördert ihr Verständnis für räumliche Beziehungen und Zeitmessung, was wiederum wichtige Fähigkeiten für das mathematische Denken sind. Auch das Abwartende und die Antizipation werden trainiert.
  • Körperliche Aktivität und Konzentration: Durch die körperliche Aktivität beim Seilspringen werden Endorphine freigesetzt, die das Wohlbefinden und die Konzentrationsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler verbessern können. Eine gute Konzentration ist wichtig, um mathematische Konzepte zu verstehen und Aufgaben zu lösen.
  • Übung macht den Meister: Am Anfang können nur wenige Kinder schon Seilspringen, das Springen trainiert also auch die Fsrustrationstoleranz. Kinder werden aber, wenn man regelmäßig mit ihnen übt (5 min pro Tag reichen schon) schnell viel besser. Sie merken, wenn ich übe, werde ich besser. Und das funktioniert dann auch im Matheunterricht.

Zählspiele mit Ball: Deine Schüler können das Sprechen der Aufgaben auch mit einem Ball trainieren. Du wirfst dem ersten Schüler den Ball zu und sagst zum Beispiel: 9 ist größer als… und der Schüler der fängt, beendet den Satz mit einer möglichen Zahl: ….4, anschließend startet der Schüler eine neue Aufgabe: 4 ist kleiner als… und gibt den Ball weiter.

Größer als, kleiner als, gleich im Matheunterricht - Zahlen vergleichen spielerisch trainieren und mathematische Konzepte entwickeln.

Üben mit konkretem oder graphischem Material in Partnerarbeit oder Kleingruppen: Schaffe die Chance für deine Schüler, mit anderen Schülern Aufgaben zu lösen und zu besprechen. Das Fachliche Verständnis baut sich nur dann nachhaltig auf, wenn ich es auch sprachlich wiedergeben kann. Schüler können sich dabei gegenseitig unterstützen und auch Schüler mit sprachlichen Schwierigkeiten mit ins Boot nehmen.

Differenzierte Arbeitsblätter: Wenn du merkst, dass einzelne Schüler mit den Arbeitsaufträgen noch nicht ans gewünschte Ziel kommen, nutze differenzierte Arbeitsblätter oder Kopiervorlagen. Nicht alle Kinder brauchen die gleichen Hilfen, aber für einige sind die Mathebücher, die ein Thema auf viele verschiedene Art und Weisen angehen, einfach unübersichtlich. Wir nutzen zum Beispiel neben dem praktischen Bauen mit Steckwürfeln, Arbeitsblätter, bei dem jedem Rechenzeichen eine eigene Seite gewidmet wird. Schüler, die sprachlich mehr Übung brauchen, können so Blatt für Blatt ein Rechenzeichen nutzen. Schüler, die mehr Herausforderung brauchen, können sich gemischte Aufgaben oder komplexere Aufgaben aussuchen. Für alle gibt es ein Merkblatt mit den Namen der Rechenzeichen.

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